Fotografie 03 • Rinder fotografieren

Blick in ein offenes Kuhmaul

Allgemeines zur professionellen Fotografie

Jedes Motiv, egal ob Rind oder Gänseblümchen, bringen für uns Fotografen spezielle Herausforderungen mit sich. Damit ich Bilder erhalte, die Inhalte, Informationen und Botschaften vermitteln1Fotos haben eine Aufgabe im Kontext mit Text und Grafik zu erfüllen. Darüber muss man sich vor dem Fotografieren im Klaren sein, damit man die Motive am Ende hat, die gebraucht werden. und den Betrachter auch ästhetisch ansprechen, ist es notwendig, dass wir uns mit den Eigenarten von Rindern oder eben Gänseblümchen befassen.
Neben der Art und Weise, wie wir mit unseren Motiven umgehen, ist dieses Wissen notwendig, um die passende Technik auszuwählen, bevor wir auf die Weide gehen. Ich zum Beispiel arbeite immer mit zwei Kameras und habe auch passende Kleidung an, wenn ich Tiere auf einem Bauernhof fotografiere.

Meine Erfahrungen beim Fotografieren von Rindern

Ein Galloway grast auf der DBU-Naturerbefläche bei Wesendorf, Niedersachsen • Gallowayhof-Wittingen

Rinder sind groß, stark und schnell und können daher gefährlich werden. Ich spreche immer mit den Bauern darüber, in welcher Stimmung ihre Tiere sind und ob es einzelne gibt, auf die ich aufpassen muss, bevor ich auf die Weide gehe.

galoppierende Rinder auf eine Weide
Hier wollten meine Modelle nicht dorthin, wo ich sie gerne gehabt hätte. • »Fränkisches Gelbvieh« • Ökohof Klischewski

Es ist ein großer Unterschied, ob ich eine Herde fotografiere, die nur aus weiblichen Tieren besteht oder ob darunter Kälber oder Bullen sind. Ich stand schon mal auf der Weide und zwei Muttertiere kamen im strengen Galopp auf mich zu gesprintet. 🫣 Gott sei Dank war die Bäuerin Anja (Hof Stolze-Kuh) mit dabei, sie winkte einmal dem Arm und die zwei sind abgedreht. Puh!

Bäuerin Anja bei ihren Kühen auf der Weide im Zuchtbulle vom Biobauernhof Hof Stolze Kuh steht auf der Weide im Nationalpark Unteres Odertal
Der Kontakt zu den Kühen ist Anja sehr wichtig, auch um klarzumachen, wer hier das Sagen hat. Die Weide liegt im Nationalpark Unteres Odertal, Brandenburg • Hof-Stolze-Kuh

Ein andermal wollte ich morgens um halb sechs im schönen Morgenlicht eine Herde fotografieren, die ca. 1 km vom Hof entfernt war. Ich war noch nicht einmal in Sichtweite der Herde, kam mir schon der Bulle Kurt entgegen und hat mir zu verstehen gegeben, dass er nicht möchte, dass seine Herde fotografiert wird.

Ein Zuchtbulle steht frühmorgens im Gegenlicht auf der Weide, Siebengiebelhof
Der Zuchtbulle Kurt wollte nicht, dass ich zu seiner Herde gehe • Siebengiebelhof

Was ein Fotograf wissen sollte, wenn er Kühe fotografiert

Für das Magazin »Aufs Land« habe ich den Kurs »Kuhflüstern« fotografiert mit Dr. Wilhelm Schäkel von der Bio Ranch Zembow. Hier habe ich viel gelernt, was mir beim Fotografieren, nicht nur von Rindern, sondern generell bei Tieren, hilft.

Ein Gruppenfoto mit Teilnehmern, dem Biobauern Wilhelm Schäkel
Den Umgang mit Kühen lernen beim Seminar »Kuhflüstern« mit Dr. Wilhelm Schäkel (li)

6 Tipps, wie man sich als Fotograf Kühen nähert

  • Kühe können auch nach hinten schauen, ihr Gesichtsfeld umfasst 340°, wir sehen nur 180°. Dies ermöglicht es ihnen, nicht nur potentielle Angreifer schneller zu erfassen, sondern auch in der Herde leichter Blickkontakt zu halten.
  • Kühe sind Herdentiere, klar; und Fluchttiere. Daraus ergibt sich, möglichst immer den Fluchtweg für das Tier oder auch der Herde offenzuhalten, sich also nicht direkt von vorne zu nähern.
  • Als Fluchttiere müssen sie entscheiden, ob das, was auf sie zukommt, ein Angreifer ist oder ein anderes harmloses Tier. Also muss man sich als Mensch wie ein harmloses Tier und nicht wie ein Räuber verhalten.
  • Damit ich näher an die Tiere herankomme, laufe ich in einer Zickzack-Linie auf die Herde zu. Mein Blick ist dabei nicht auf die Herde, sondern in die Ferne gerichtet. Diese Methode funktioniert auch bei Schweizer Hühnern und bei bayrischen Wasserbüffeln wunderbar. 😊 Mit dem »Ich interessiere mich gar nicht für euch und lauf ganz woanders hin« Trick bin ich einigen Tieren sehr nahegekommen.
  • Auch wichtig, seine Arme immer am Körper halten, langsam gehen und unbeteiligt tun.
  • Achtung, solange Rinder ruhig sind, besteht keine Gefahr, wenn sie aber muhen, schnell aufstehen oder den Kopf senken, dann ist es Zeit sich zu entfernen – aber schön langsam und Arme immer schön hängen lassen.

Das Rind als Fotomotiv

Pluspunkte: sie sind groß, bewegen sich i.d.R. langsam und sind meist friedlich. Rinder sind ja Herdentiere und so stehen sie häufig neben und hintereinander. Auf den Bildern können dann zwei Kühe als ein Tier mit sechs Beinen erscheinen. Die Herausforderung besteht darin, eine Perspektive zu finden, in der zwar die Herde als solche dargestellt werden kann, aber die Tiere nicht als unförmige Masse erscheinen.

Bei Herdentieren, die noch dazu ein dunkles Fell haben, kann es passieren, dass auf dem Foto sehr seltsame Wesen erscheinen, wie hier der sieben beinige Wasserbüffel • Biohof Querhammer

Diffizil ist es auch, Kälber beim Säugen zu fotografieren. So ein Mensch mit einem Auge kennen sie noch nicht, dazu hockt er noch auf dem Boden; alles Umstände, die für ein Kalb neu und daher sehr spannend sind und den Hunger vergessen lassen. Hier hilft wieder der Trick: »Ich interessiere mich gar nicht für dich.«, dann wenden sich die Kälber meist wieder dem Euter zu.

Ein Kälbchen steht auf der Weide bei seiner Amme
Eigentlich wollte ich das Kalb beim Säugen fotografieren. • Hof-Stolze-Kuh

Am einfachsten und ungefährlichsten ist es, wenn die Rinder grasen oder wiederkäuen. Da ich noch Zeit hatte und auf den Bauern warten musste, hab ich mich schon mal zu einer Kuh gesellt, die sehr entspannt wiederkäuend auf der Wiese lag

Fotos von Rindern in der Postproduktion

Fehlbelichtungen gibt es bei den aktuellen Kameras kaum noch und selbst wenn, durch die hohe Farbtiefe und den großen Dynamikumfang der Sensoren kann man das schwarze Fell von Galloways wieder kuschelig erscheinen lassen und die Struktur der weißen Flecken von Schwarzbunten wieder herausarbeiten. Zugegeben, das muss man dann schon mal partiell machen, aber es geht und der zeitliche Aufwand ist übersichtlich.

zwei Galloway Rinder vom Biohof Bertelemühle, Günzburg, Bayern
Galloway Rinder • Bertelemühle

Meine persönlichen Hassobjekte sind Ohrmarken.
Egal ob Rind, Schaf oder Ziege, sie verunstalten ein jedes Tier und so bin ich stets bemüht diese gelben Dinger unsichtbar zu machen. Seit diesem Frühjahr (2023) geht es jetzt dank KI-gestützter Bildbearbeitung noch leichter. Selbst sehr große Ohrmarken bekomme ich nun komplett entfernt, bislang habe ich nur das Gelb ins Grau-braune gedreht.

Schwarzbunte Kuh mit zwei Ohrmarken, blickt in die Kamera
Ohrmarken tun dem Auge weg.
Mithilfe der Bildbearbeitung befreie ich die Tiere von diesen unförmigen, gelben Dingern. • Schwarzbunte Kuh • SOS-Kinderdorf Vorpommern

Abschließend zum Thema »Fotografieren von Rindern«

Zusammenfassend kann ich sagen, dass das Fotografieren von Rindern ist eine spannende ist, das spezielles Wissen und Erfahrung erfordert. Rinder sind große, und manchmal unberechenbare Tiere, und ihre Herdentrieb- und Fluchtinstinkte müssen respektiert werden. Rinder sind eben keine Kuscheltiere.
Die richtige Technik und der respektvolle Umgang mit den Tieren sind entscheidend, um aussagestarke Fotos zu bekommen. Mit diesen Bildern gelingt es, die Besonderheiten von Kuh, Galloway, Wasserbüffel und Co. einem Betrachter näherzubringen, artgerechte Tierhaltung zu veranschaulichen und die natürliche Schönheit und Einzigartigkeit dieser Tiere darzustellen.

Mit meiner Arbeit als Fotograf möchte ich dazu beitragen, ein besseres Verständnis für Rinder und andere Nutztiere zu schaffen und die Bedeutung artgerechter Tierhaltung zu verdeutlichen.

Eberhard Schorr • Der Landfotograf • September 2023