»Aufs Land« • Kuhflüstern lernen

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Magazin: »Aufs Land« Ausgabe: Herbst 2015

Besuch beim Kuhflüsterer

Von Pferdeflüsterer hat jeder wohl schon mal gehört, aber es gibt auch Kuhflüsterer, und einer davon ist Dr. Wilhelm Schäkel von der Bio-Ranch Zampow in Brandenburg an der Nordgrenze zu Mecklenburg-Vorpommern.

Dr. Schäkel bietet nicht nur Kurse für Berufs- oder Hobby-Landwirte an, sondern auch für alle Interessierte. Da musste ich als Der-Landfotograf natürlich auch unbedingt hin. Stéphanie Grix, mit der ich regelmäßig für das Magazin „Aufs Land“ zusammenarbeite, war auch gleich begeistert, und so zogen wir am 18. Juli los, um an einem solchen Seminar teilzunehmen.

Die Sprache der Kühe lernen

Unsere Gruppe bestand aus sechs Frauen und uns zwei. Und obwohl es ein praktisches Seminar ist, braucht es am Anfang die Theorie.

Die Art mit Herdentieren umzugehen nennt sich „Low Stress Stockmanship“. Dabei geht es darum eben ohne Stress nur mit Präsenz und Körpersprache die Herde zu treiben oder einzelne Tiere in eine bestimmte Richtung zu lotsen. Aus den USA hat die Methode Philipp Wenz nach Deutschland gebracht.

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Die sieben wichtigsten Fakten zur Kommunikation mit Kühen

  • Kühe können auch nach hinten schauen, ihr Gesichtsfeld umfasst 340°, wir sehen nur 180°. Dies ermöglicht es ihnen, nicht nur potentielle Angreifer schneller zu erfassen, sondern auch in der Herde leichter Blickkontakt zu halten.
  • Kühe sind Herdentiere, klar; und Fluchttiere. Daraus ergibt sich, möglichst immer den Fluchtweg für das Tier oder auch der Herde offen zu halten, sich also nicht direkt von vorne zu nähern.
  • Als Fluchttiere müssen sie entscheiden, ob das, was auf sie zukommt, ein Angreifer ist oder ein anderes harmloses Tier. Also muss man sich als Mensch wie ein harmloses Tier und nicht wie ein Räuber verhalten.
  • Räuber schleichen sich in der Regel in einer Schlangenlinie an und fokussieren ihre Beute. Andere Tiere hingegen nehmen von Kühen und Kuhherden nicht unbedingt Notiz. Wenn Räuber nahe genug an ihre Beute herangeschlichen sind, stürzen sie sich auf diese.
  • Daraus ergibt sich: langsames Laufen, ruhig bleiben und die Arme immer am Körper halten. Dem aufmerksamen Betrachter wird bei den Bildern auffallen, dass die Teilnehmerinnen die Hände in den Taschen hatten oder die Arme verschränkt halten.
  • Um nun näher an die Tiere heranzukommen, laufen wir in einer Zickzack-Linie auf die Herde zu und tun dabei so, als würden wir uns gar nicht für sie interessieren. Unser Blick ist nicht auf die Herde, sondern in die Ferne gerichtet. Diese Methode funktioniert auch bei Schweizer Hähnen und Hühnern und bei Bayrischen Wasserbüffeln wunderbar. Mit dem „Ich interessiere mich gar nicht für euch und lauf ganz woanders hin“ Trick bin ich einigen Tieren sehr nahe gekommen.
  • Streicheln verboten. Was wir als Vertrautheit und Zuneigung empfinden, ist für Kühe eine Zumutung, so Schäkel. Und Kühe spiegeln die eigene Empfindung eins zu eins wider, wenn der Mensch unsicher ist, ist es auch die Kuh.

Wie kann man eine Herde Kühe entspannt treiben

In dem Seminar ging es auch darum, einzelne Tiere zum Aufstehen zu bewegen ohne zu klatschen, zu rufen oder wild zu fuchteln. Nur alleine durch die Körpersprache und ein selbstbewusstes Auftreten kann man 800kg Rind dazu bewegen, sich zu erheben und los zu traben.

Zu guter Letzt sollte eine ganze Herde dazu gebracht werden aufzustehen und in eine bestimmte Richtung zu laufen. Eine Herausforderung, die die Teilnehmerinnen bravurös meisterten und zu einer nachhaltigen Erfahrung beigetragen hat. Kann ja nicht jeder von sich behaupten, eine Herde Kühe auf freiem Feld ohne Hilfsmittel vor sich her getrieben zu haben.

Berlin, November 2015

Bio Ranch Zempow, Birkenallee 12, 16909 Wittstock/Dosse, Telefon: + 49 33 923 – 7 69 15, E-mail: info [at] bio-ranch-zempow.de, Web: zempow-bio-ranch.de